cr_home Nichtmetalle Strukturchemie FK-Chemie Interm. Phasen Oxide Silicate Strukturtypen
Inhalt Kap. 1 Kap. 2 Kap. 3 Kap. 4 Kap. 5 Kap. 6 Kap. 7 Kap. 8 Kap. 9 Literatur

Vorlesung Chemie der Metalle

8. Übergangsmetalle

8.3. Koordinationsverbindungen


Unterkapitel:


8.3.1. Allgemeines, Aufbau, Klassifizierung, Nomenklatur

Komplexe oder Koordinationsverbindungen bestehen gemäß der allgemeinen Beschreibung MLn aus Wenn mehr als ein Metall-Atom oder -Ion beteiligt ist spricht man von mehrkernigen Komplexen, bei vielen M- Atomen von Clustern. Die Liganden L können neutrale Moleküle oder Anionen mit einem oder mehreren Donoratomen (Nichtmetallen der 4. bis 7. Hauptgruppe) sein. Die chemische Bindung in Komplexen läßt sich als Lewis-Säure-Base-Reaktion zwischen der Lewissäure M und den Lewis-Basen L auffassen. Historisch geht die Komplexchemie auf die Entdeckungen von
Alfred Werner (Nobelpreis 1913) zurück, der erstmals die korrekte Vorstellungen von der räumlichen Anordnung (Struktur) der Komplexe erkannte und auch eine erfolgreiche Erklärung der chemischen Bindung entwickelte: Für jedes Metallatom führte Werner ein. Noch heute nennt man einfache Komplexe mit Co, Cr, Fe usw. und einfachen Liganden mit elektronegativen Donoratomen Werner-Komplexe. Dagegen heissen Komplexe mit weniger elektronegativen Donoratomen wie z.B. C, H, Si, P usw. allgemein 'organometallische' Komplexe. Letztere folgen eher kovalenten Konzepten, so dass häufig die 18-Elektronen-Regel (um die d-Zustände erweiterte Edelgasregel) erfüt ist.

Klassifizierung von Liganden und Komplexverbindungen

Komplexe können auf verschiedene Weisen klassifiziert werden:

Nomenklatur von Komplexverbindungen

Einige wichtige Ligandbezeichnungen sind: Die Gesamtbezeichnung eines Komplex-Salzes aus Anion und Kation läßt sich wie folgt einfach zusammenfassen:

Kation (oder Neutralkomplex) Anion
Anzahl Liganden Ligand Zentralteilchen (Oxidationszahl) Anion
Kation- Anzahl Liganden Ligand Zentralteilchen
(ggf. lateinisch)
at (Oxidationszahl)

Verschiedene Liganden werden in alphabetischer Reihenfolge genannt. Einige Beispiele:

  1. kationische Komplexe:
  2. anionischer Komplex
  3. neutrale Komplexe:

8.3.2. Koordinationszahlen, Strukturen, Isomerie

In der Koordinationschemie gibt es eine grosse Anzahl von Isomerie-Möglichkeiten. Bei der sog. Konstitutionsisomerie bei der eine Gesamtverbindung mit einem Komplex-Anion oder -Kation nach unterschiedlichen Verknüpfungsprinzipien aufgebaut ist, besteht grundsätzlich keine Abhängigkeit von der Koordinationszahl:

Neben diesen Konstitutionsisomerie gibt es geometrische bzw. Stereo-Isomere, die von der Koordinationszahl abhängen und bei denen die Zahl der Isomere mit der Koordinationszahl stark zunimmt. Die wichtigsten Koordinationszahlen und die jeweils möglichen stereo- und optischen Isomere sind: (Gesamtübersicht: SVG)

8.3.3. Stabilitäten von Komplexen

Die thermodyamische Stabilität von Komplexen wird mit den Komplexbildungskonstanten Kn (isolierte Komplexbildungskonstante für den Tausch eines Liganden) bzw. ß = KB (für den Tausch aller Liganden) beschrieben. Dabei handelt es sich einfach um die Gleichgewichtskonstanten der jeweiligen Ligandensubstitutionen. Die Wasserkonzentration ist in wässriger Lösung konstant und entfällt (bzw. wird in K indirekt mit berücksichtigt). Es gilt also für die Komplexbildung insgesamt:
[M(H2O)p]m+ + n L ⟶ [MLn]m+ + p H2O
nach dem Massenwirkungsgesetz:
KB = ßn = c[MLn]m+ / c[M(H2O)p]m+ . cnL
Diese Gesamtbildungskonstante kann aus den individuellen Gleichgewichtskonstanten der einzelnen Ligandaustauschreaktionen zusammensetzt werden:
KB = ßn = K1 . K2 . K3 . K4
So ist beispielsweise die isolierte Gleichgewichtskonstante K1 der ersten Ligandensubstitution des in wässriger Lösungen vorliegenden Hexaquakomplexes von Chrom(III) durch Chlorid
[Cr(H2O)6]3+ + Cl- ⟶ [Cr(H2O)5Cl]2+ + H2O
zu formulieren als:
K1 = c[Cr(H2O)5Cl]2+ / c[Cr(H2O)6] . cCl-
Es gilt fast immer:
K1 > K2 >K3 >K4
d.h. die Substitution des ersten Liganden ist i.A. einfacher möglich als die weiterer Liganden.

Gleichgewichtsverschiebung bei Cu-Komplexen mit H2O bzw. Cl- als Ligand

Der Versuch zeigt die Konzentrationsabhängigkeit der vorliegenden Komplexe von Cu(II) in Chlorid-haltiger wässriger Lösung:
[Cu(OH2)4]2+ + 4 Cl- ⟶ [CuCl4]2- + 4 H2O
Die Gesamtbildungskonstante ß, die sich nach ß = K1 . K2 . K3 . K4 aus den individuellen Bildungskonstanten (Addition von jeweils einem Liganden) zusammensetzt, lautet für diese Reaktion:
ß = c[CuCl4]2- / c[Cu(OH2)4]2+ . c4Cl-
Danach liegt bei hohen Chlorid-Ionen-Konzentrationen der grüne Chlorido-, bei niedrigen Chlorid-Ionen-Konzentrationen dagegen der blaue Tetraaquakomplex vor. Aus den einzelnen Komplexstabilitäten lassen sich die prozentualen Verteilungskurven der einzelnen Komplexe in Abhängigkeit von der Konzentration des Liganden berechnen. Diese Verteilungskurven (s. schematisch Abb. 8.3.19) zeigen anschaulich die gekoppelten Gleichgewichte und die Stabilitätsbereiche der jeweiligen Koordinationsverbindungen.
Abb. 8.3.19. Typische Gleichgewichtskonzentrations-Kurven SVG

Bei vielen Liganden ist zudem zu berücksichtigen, dass die Komplexbildung pH-abhängig sein kann.
Cu(II)-Tetramminkomplex: pH-abhängige Gleichgewichte

Z.B. 'konkurrieren' bei der Reaktion von Ammoniak mit Cu(II) beim Nachweis als Tetramin-Komplex Protonen und die Kupferionen um den 'Liganden' Ammoniak nach:
H+ + NH3 ⟶ NH4+ (entscheidend: pKB)
Mm+ + n NH3 ⟶ [M(NH3)n]m+ (entscheidend: ß)
und bei Zugabe von Ammoniak zu einer Cu(II)-Salzlösung fällt zunächst das Hydroxid aus, das sich im Überschuss von Ammoniak, d.h. bei hohen pH-Werten, als Ammin-Komplex wieder auflöst. Beim Ansäuern (Zugabe von HCl) wird der Aquakomplex zurückgebildet, da die Ammoniak-Liganden protoniert werden.
Cu2+ ⟶ (+NH3) ⟶ Cu(OH)2 ⟶ (+NH3) ⟶ [Cu(NH3)4]2+ ⟶ (+HCl) ⟶ [Cu(H2O)4]2+

Zur Stabilität von Komplexen mit Chelateffekt s.
Kap. 8.3.5.

8.3.4. Bindung in Komplexen

Die chemische Bindung in Komplexen kann nach drei Theorien beschrieben werden:
  1. Valence Bond (VB) Theorie (!! bzgl. der Ideen zur Hybridisierung veraltet !!)
  2. Kristallfeld- bzw. Ligandenfeldtheorie
  3. Molekülorbital (MO) Theorie

1. Valence Bond (VB) Beschreibung

Die einfache VB-Theorie geht auf Heitler und London (1927) zurück und nimmt eine kovalente Beschreibung der Bindung zwischen Metall und Ligand vor, d.h. Metall und Ligand teilen sich Elektronenpaare, wobei die Elektronen vom Liganden kommen. Dies entspricht einer Lewis-Säure (M) - Lewis-Base (L) Beschreibung. Diese einfache Theorie ist heute nicht mehr aktuell, weil sie zur Erklärung von Komplexen unphysikalische Hybridisierungen erfordert. Auch ist sie nicht in der Lage, die von Komplexen zu erklären. Trotzdem sind einige der Annahmen der VB-Methode nicht nur aus historischer Sicht relevant:

Die VB-Beschreibung fordert im Einzelnen:

2. Ligandenfeld/Kristallfeld-Theorie

Mit der ebenfalls vergleichsweise einfachen Liganden- oder Kristallfeld-Theorie gelingt die Erklärung Bei dieser Theorie wird keine kovalente Bindung zwischen M und L angenommen, sondern eine reine elektrostatische Betrachtung der Wechselwirkung vorgenommen. Bei der Annäherung von Liganden L an ein Metallzentrum M kommt es bei besetzten d-Zuständen wegen der Abstoßung der d-Elektronen und der Ligandenelektronen-Paare zur energetischen Anhebung der d-Zustände. Bei Betrachtung der Form der fünf d-Orbitale wird deutlich, dass diese sich je nach Anordnung der Liganden (Geometrie des Komplexes) unterscheiden. Bei kubischem Feld (Tetraeder- oder Oktaeder-Geometrie) verbleiben zwei Arten von Orbitalen:
  1. Die Orbiale dxy, dxz und dyz liegen zwischen den Achsen (nach Mullikan: t2g-Orbitale im Oktaeder; t2-Orbitale im Tetraeder).
  2. Das dx2-y2- und das dz2-Orbital liegen dagegen auf den Achsen des kubischen Systems (eg-Orbitale im Oktaeder; e-Orbitale im Tetraeder).
Hinweis: Die Bezeichnung der Orbital erfolgt durch Mulliken-Symbole:
Abb. 8.3.24. Ligandenfeldaufspaltung SVG
Für oktaedrische und tetraedrische Komplexe ergeben sich die energetischen Lagen der beiden Sätze von d-Orbitalen:
Der Vergleich zwischen Oktaeder- und Tetraeder-Geometrie zeigt, dass die energetische Aufspaltung im Oktaederfall etwa doppelt so groß ist wie im Tetraederfall:
Δt = 4/9 Δo
Daraus folgt, dass alle Effekte der energetischen Aufspaltung bei Besetzung der Oktaedergeometrie ausgeprägter sind (bei Festkörpern spricht man von Octahedral Site Preference-Energy als Teil der Gitternenergie von Ionenkristallen, s.
Strukturchemie-Vorlesung).

Veranschaulichung mit VRML-2 (freewrl, lookat) Aufspaltung der d-Zustände im oktaedrischen und tetraedrischen Ligandenfeld (umschaltbar, und hier als Video:)

Video zur Ligandenfeldaufspaltung (34MB|MP4|H264)

Die genannte Aufspaltungen der d-Zustände hat verschiedene wichtige Auswirkungen für die Koordinationschemie und die Eigenschaften von Komplexen:

  1. Die Komplexe sind durch die Besetzung der niedrig liegender Zustände energetisch stabilisiert. Diese Energie nennt man Ligandenfeldstabilisierungsenergie (LFSE). Im oktaedrischen Fall beträgt die LFSE für Besonders groß ist die LFSE damit für die d3- und LS-d6-Elektronenkonfiguration. Sie erklärt damit die große Stabilität z.B. von Cr3+ (d3) und Co3+ (LS-d6). Die LFSE liefert bei Festkörpern auch einen Gitterenergiebeitrag. Z.B. liegt im gemischtvalenten Fe3O4 mit Spinell-Struktur (MgAl2O4: f.c.c. von O; Mg2+ in Tetraeder-, Al3+ in Oktaederlücken wegen der LFSE von Fe2+ = d6 = 4 Dq ein Inversspinell vor. Die zweiwertigen Ionen besetzten im Unterschied zum Muttertyp hier die Oktaederlücken der kubisch dichtesten Packung von Oxid-Ionen).
  2. Die Frage, ob jeweils ein HS- oder ein LS-Komplexe stabiler ist, läßt sich nun klar beantworten: Diese Fragen sind natürlich nur relevant bei
  3. Das Ausmass der Aufspaltung und damit auch die Tendenzen zum Auftreten von HS- bzw. LS-Komplexen folgt aus der Stellung des Metallzentrums und der Liganden in den beiden sogenannten spektrochemischen Reihen.

    Für die Liganden:
    schwaches Ligandenfeld mittleres Ligandenfeld starkes Ligandenfeld
    bevorzugt HS HS oder LS bevorzugt LS
    I- SCN- Cl- OH- H2O NH3 NO CN- CO

    Für die Metalle/Metallionen:
    schwaches Ligandenfeld starkes Ligandenfeld
    bevorzugt HS bevorzugt LS
    Mn2+ Fe2+ Fe3+ Ru2+ Ru3+ Pt4+

    In die Abfolge der Metalle und Liganden in diesen Reihen gehen sowohl die Härte (Pearson HSAB-Konzept: links weich, rechts eher hart) als auch eher Orbital-bedingte Grössen ein (Faktorisierung von Δ = fg; Δ steigt mit steigender σ-Überlappung und mit schwächer werdender π-Überlappung, vgl. Master-Studium und Details der MO-Theorie).

    Beispiele für Komplexe mit d6-Metallzentren: Der Einfluß des Liganden L zeigt sich an der Tatsache, dass z.B. der Hexaquakomplex [FeII(H2O)6]2+, d.h. bei einem Liganden mit schwachem Ligandenfeld eine HS-Konfiguration aufweist. Dagegen ist der entsprechende Cyanidokomplex [FeII(CN)6]4- (L mit starker Ligandenfeldaufspaltung) ein LS-Komplex. Der Einfluß der spektrochemischen Reihe der Metalle wird aus der Tatsache erkennbar, dass der Hexaquakomplex des schwereren Homologen von Eisen [RuII(H2O)6]2+ bereits mit H2O als Ligand ein Low-Spin-Komplex ist (M mit starker Ligandenfeldauspaltung). Als Faustregel kann man auch festhalten, dass 4d- und 5d-Metalle wegen der stark kovalenten Wechselwirkung zwischen M und L (ausgedehnte d-Zustände) praktisch ausschließlich Low-Spin-Komplexe ausbilden.

  4. Daraus folgt auch direkt die Erklärung für den Magnetismus der Komplexe aus der Besetzung der Zustände. Die magnetischen Momente betragen:
    μB = μmag = √n(n+2) μB
    D.h. zum Beispiel für Auch für Stoffe mit kollektivem Magnetismus (z.B. ferro- und ferri-magnetische Materialien) kommen daher nur 3d-Elemente mit zahlreichen ungepaarten Spins in Betracht, z.B. Fe(III) mit Oxid-Liganden, d.h. in der HS-Konfiguration (maximaler Paramagnetismus als Voraussetzung für effektiven kollektiven Magnetismus).
  5. Die Farbigkeit von Komplexen kann (bedingt, s.u.) als Folge von Übergängen zwischen den beiden Sätzen von d-Zuständen erklärt werden. Sie ist mit der Ligandenfeldstärke (spektrochemische Reihen, s.o.) korreliert und bedingt (s.u.) zur Bestimmung der Aufspaltung geeignet. Bei jedweder Betrachtung von Farbigkeiten von Komplexen ist unbedingt zu beachten:

3. Molekülorbital-Theorie

Die umfassende MO-Theorie der Komplexe wird im Hauptstudium ausführlich besprochen. Prinzip ist eine kovalente Beschreibung der Bindung zwische Metall und Ligand auf der Basis der Linearkombination (LC) der entsprechenden Atomorbitale (AO) (LCAO-Beschreibung), die sie z.B. für die Beschreibung der Bindung im H2-Molekül aus der PC bekannt ist (Kombination der beiden s-Orbitale von H zu einem bindenden und einem antibindenden Molekülorbital. Bedingung für die Überlappung der beiden Atomorbitale (MO-Bildung) ist Das Problem ist schon von Methan CH4 bekannt: Um die vier σ-Bindungen beschreiben zu können, ist zunächst die Bildung sogenannter symmetrieangepaßten Linearkombinationen (SALCs = symmetry adapted linear combinations) der s-AO der H-Atome erforderlich und am C-Atom werden sp3-Hybrid-Orbitale (mit voller Tetraeder-Symmetrie) gebildet. Ganz analog entstehen aus den fünf d-Zuständen der Metallzentren im kubischen Feld (Tetraeder oder Oktaedersymmetrie) die beiden Orbitalsätze mit t2g bzw. eg-Symmetrie. In Komplexen ist dies noch weit komplizierter, da die Liganden bereits schon Moleküle sind, d.h. aus den für die Bindung relevanten MOs der Liganden müssen SALCs konstruiert werden. Für oktaedrische Komplexe mit reiner σ-Liganden-Koordination läßt sich das Konzept noch anschaulich erklären (s. Abb. 8.3.26):
Abb. 8.3.26. MO-Theorie von Komplexen SVG
Die Zustände des Metalls M (links) im oktaedrischen Feld, die für die Bindung zur Verfügung stehen sind bekannt. Es handelt sich um Die sechs σ-Ligandenorbitale (rechts) kombinieren im kubischen Feld zu sechs SALCs: Diese beiden Gruppen von Orbitalen überlappen nun gemäß ihrer Symmetrie zu: Die Besetzung der Zustände mit Elektronen bis einschliesslich zu den nichtbindenden t2g-Orbitalen entsprechen 18 Elektronen! Aus dieser MO-Betrachtung läßt sich auch leicht ein Bezug zu den beiden anderen Modellen herstellen: In einem stark vereinfachten MO-Modell lassen sich dann auch die meisten elektronischen Übergänge, die zu den Farbigkeiten der Komplexe beitragen, schematisch eintragen (s. Abb. 8.3.27)
Abb. 8.3.27. Elektronische Übergänge in Komplexen (vereinfacht) SVG
  1. LL-Übergänge: Elektronische Übergänge weitgehend innerhalb des Liganden, ggf. etwas modifiziert durch die Metall-d-Orbitale (z.B. DADO, Häm usw.)
  2. LM-CT: Übergänge aus besetzen Ligand-Orbitalen (meist nichtbindenden) in Metall-d-Orbitale (z.B. Permanganat).
  3. ML-CT: Übergänge aus besetzen M-d-artigen MOs in antibindende L-Zustände (z.B. [Ru(bipy)3]n+ usw.)
  4. dd-Übergänge sind im oktaedrischen Ligandenfeld (und in allen anderen zentrosymmetrischen Komplexen Laporte-verboten, die entsprechenden Farben sind extrem blass.
  5. MM-Übergänge wie z.B. im Berliner Blau können natürlich nur in MOs mit mindestens zwei Metall-Atomen eingetragen werden.
Der Charakter der Bindung in einem Komplex (eher ionisch oder eher kovalent, d.h. eher hart-hart oder weich-weich Beziehung nach dem HSAB-Konzept) variiert mit der energetischen Lage der beteiligten Ligand- und Metall-Zustände (s. Abb. 8.3.28).
Abb. 8.3.28. HSAB-Konzept und chemische Bindung in Komplexen SVG

8.3.5. Beispiele I: Chelatkomplexe und ihre Anwendungen

Komplexe mit Chelateffekten sind besonders stabil. Dies resultiert thermodynamisch aus der Erhöhung der Entropie bei der Komplexbildung, z.B. ausgehend von den Wasserkomplexen. Bei der Substitution von Wasser-Liganden durch normale einzähnige Liganden (z.B. zwei Ammoniak-Moleküle)

[Cu(H2O)4]2+ + 2 NH3 ⟶ [Cu(H2O)2(NH3)2]2+ + 2 H2O
bleibt die Teilchenzahl konstant, während sie bei der Substitution durch einen Ethylendiammin-Liganden (bei vergleichbarer chemischer Bindung, d.h. ähnlicher Enthalpie) von zwei auf drei Teilchen erhöht wird:
[Cu(H2O)4]2+ + en ⟶ [Cu(H2O)2(en)]2+ + 2 H2O
ß1(en) (es wird ein Ligand ausgetauscht) ist daher wesentlich grösser als ß2(NH3) (Austausch von 2 Liganden, daher ß2).
Chelatliganden verdrängen damit normalerweise alle einzähnigen Liganden, z.B. für Ni(II):
[Ni(H2O)4]2+ (hellgrün) + 4 NH3 ⟶ [Ni(NH3)4]2+ (blau) + 4 H2O
[Ni(NH3)4]2+ (blau) + 2 en ⟶ [Ni(en)2]2+ (violett) + 4 NH3
Noch deutlich ist dieser Entropieeffekt beim dem bekannten sechszähnigen Liganden edta:
[Mn(H2O)6]2+ + edta4- ⟶ [Mn(edta)]2- + 6 H2O
Hier werden aus zwei Teilchen sieben, ß ist damit sehr groß, das Gleichgewicht liegt sehr weit rechts. edta ist damit z.B. auch in der Lage, schwerlösliches Calciumcarbonat aufzulösen.

Dieser Chelateffekt wird vielfach ausgenutzt, sowohl in der Chemie/Technik als auch von der Natur:

  1. In der Chelatometrie/Komplexometrie wird die Metallionenkonzentration durch Titration mit einer Ma�lösung des Liganden (Komplexon) titriert. Die wichtigsten Liganden sind NTA und EDTA. Auch der Metallindikator ist ein Chelatligand, z.B. Eriochromschwarz-T.
  2. Builder in Waschmitteln sind Stoffe, die die Menge an Ca/Mg-Ionen, d.h. die Wasserhärte, verringern. Früher wurde hierzu Pentanatriumtriphosphat (Na5P3O10) verwendet, das heute wegen der Eutrophisierung (Überdüngung) der Gewässern nicht mehr eingesetzt wird. Danach wurde eine Zeit lang EDTA eingesetzt, das einerseits nicht biologisch abbaubar ist und andererseits zusätzlich Schwermetalle mobilisert. Heute wird nur noch in Kanada und den Niederlanden Nitrilo-triessigsäure verwendet, die biologisch abbaubar ist und als mindergiftig eingestuft ist. Moderne Waschmittel enthalten dagegen eine Mischung von Zeolith A, Soda und verschiedene Polycarboxylate.
  3. Neutrale Phthalocyanine sind Farbmittel, die im Anwendungsmedium unlöslich sind (Pigmente, nicht Farbstoffe). Hochpreisige, brilliante Grün- und Blau-Pigmente sind meistens Cu-Phthalocyanine. Diese Pigmente sind absolut unlöslich, thermisch sehr stabil und einfach herstellbar: Zur Herstellung wird einfach Phthalsäure-Dinitril mit Cu2+-Salzen erhitzt. Diese Darstellung ist zugleich ein sehr einfaches Beispiel für eine Templatsynthese eines makrocyclischen Liganden.
  4. Siderophore (Siderophor = Eisenträger) sind Eisen-Carrier, die für die Bioverfügbarkeit von FeIII essentiell sind. Ein sehr wichtiger Ligand ist das Enterobactin (ein Catecholat), in dem ein zentraler gewellter Trilacton-Ring mit Arme schon axial orientiert \\ \> \> - 3 C mit S-Konfiguration \\ \Delta-Isomer überwiegt (CD-Spektren) \\ Der Ausbau des Eisens nach dem Transport wird clever durch die Reduktion von FeIII zu FeII bewerkstelligt.
  5. Chelatkomplexe in biologischen Systemen (bitte genauere Angaben im PDB-File nachlesen)

8.3.6. Beispiele II: Carbonylkomplexe

Die Carbonylkomplexe (kurz Carbonyle) bilden eine große einheitliche Klasse von Komplexen mit CO als Ligand. Da CO neben CN- einer der stärksten Liganden ist, handelt es sich sämtlich um Low-Spin-Komplexe. Die Bindung von CO an das Metallzentrum entspricht einer σ-Donor Bindung mit sehr erheblichem π-Rückbindungscharakter. Die Bindungsstärke läßt sich sehr einfach aus den CO-Schwingungsfrequenzen erkennen (IR/Raman-Spektroskopie).
Der erste Komplex dieser Art war das Tetracarbonyl-Nickel, Ni(CO)4, das 1890 erstmal dargestellt wurde (Mond-Verfahren). Carbonylkomplexe gibt es von fast allen Metallen, außer den Neutralmolekülen sind auch anionische Komplexe, sog. Carbonylate, bekannt. Neben einkernigen gibt es auch eine sehr große Zahl mehrkernige Komplexe. Die folgende Tabelle gibt eine Übersicht über die wichtigsten einfachen Carbonylkomplexe:

Nebengruppe IV V VI VII VIII VIII VIII
Elemente (3d, 4d, 5d) Ti, Zr, Hf V, Nb, Ta Cr, Mo, W Mn, Tc, Re Fe, Ru, Os Co, Rh, Ir Ni, Pd,Pt
Valenz-Elektronen 4 5 6 7 8 9 10
Neutralmoleküle
einkernig
Verbindungen keine binären Carbonyle unter Normalbedingungen V(CO)6 Cr(CO)6 keine einkernigen Carbonyle Fe(CO)5 keine einkernigen Carbonyle Ni(CO)4
keine binären Carbonyle von Nb/Ta Mo(CO)6 Ru(CO)5 keine binären Carbonyle von Pd/Pt
W(CO)6 Os(CO)5
Struktur oktaedrisch oktaedrisch trigonal bipyramidal tetraedrisch
Eigenschaft schwarz, kristallin, paramagnetisch, Zers.-P.: -70oC farblos, kristallin, Subl. im Vakuum gelb bis farblos, flüssig, Mp. um -20oC farblos, flüssig, Mp.: -25oC
zweikernig
Verbindung (Strukturen in VRML) keine binären mehrkernigen Carbonyle bekannt Mn2(CO)10 Fe2(CO)9 Co2(CO)8 keine binären Carbonyle bekannt
Tc2(CO)10 Ru2(CO)9
Re2(CO)10 Os2(CO)9
Struktur
Eigenschaften gelbe bis weiße Feststoffe gelb bis orange, fest
dreikernig
Verbindung (Strukturen in VRML) - Fe3(CO)12 - -
Ru3(CO)12 -
Os3(CO)12 -
vierkernig
Verbindung (Strukturen in VRML) - - Co4(CO)12 -
- Rh4(CO)12
Os4(CO)14,
Os4(CO)15,
Os4(CO)16
Ir4(CO)12
Anionen (Carbonylate)
einkernig
Anionen M(CO)62- M(CO)6- M(CO)52- M(CO)5- M(CO)42- M(CO)4-
M(CO)53- M(CO)44- M(CO)43- M(CO)33-

Daneben gibt es Cluster-Carbonyle mit noch weiter erhöhten Metallatom-Zahlen. Die Abbildungen dazu hier:

Man sieht sofort, dass die sehr metallreichen Verbindungen letztlich Ausschnitte von Metallpackungen darstellen. Diese Carbonyle sind damit wichtige Modellsysteme für die Wirkung von Metallpartikeln z.B. bei der heterogenen Katalyse.
Weitere Erklärungen inkl. Elektronenbilanzen nach Wade s. das Sonderkapitel zu Clusterverbindungen

. Fast alle Carbonylkomplexe folgen der 18 Elektronen-Regel, bei den einkernigen allerdings nur die mit gerader d-Elektronenzahl, d.h. V(CO)6 ist eine prominente Ausnahme von dieser Regel.
Die einkernigen Carbonyle sind flüssige, flüchtige Verbindungen, die sehr giftig sind.
Zur Darstellung von Carbonylverbindungen gibt es verschiedene synthetische Methoden:

Inhalt Kap. 1 Kap. 2 Kap. 3 Kap. 4 Kap. 5 Kap. 6 Kap. 7 Kap. 8 Kap. 9 Literatur
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