Vorlesung: Silicatchemie
6. Ketten(Ino)-Silicate
6.1. Einfachketten (M=1)
Einfachketten bestehen aus Ketten von über je zwei Sauerstoffatome
kondensierte Tetraedern. Die allgemeine Formel ist
dementsprechend {uB,11oo}[pSiO2O2/2]2-
entsprechend [SiO3]2-.
Je nach der Translationsperiode P ergibt sich die weitere Unterscheidung:
Einereinfachketten (P=1)
Bei den Einereinfachketten ist die Identität bereits nach einem Tetraeder
(entsprechend 270 pm) erreicht.
Bisher sind bei Silicaten keine Beispiele für eine entsprechende Kettenanordnung bekannt.
Sie liegt zum Beispiel in CuGeO3, K2CuCl3
und Ba2ZnS3 vor.
Zweiereinfachketten (P=2)
Bei den Zweiereinfachketten ist die Identität nach zwei Tetraedern
(ca. 520 pm) erreicht.
Dieser Fall ist bei natürlichen Mineralen sehr häufig.
Die Hauptgruppe bilden Mineralien, die als Pyroxene bezeichnet werden
und deren allgemeine Formel AB[Si2O6] ist.
A kann Ca, Na usw, B Mg, Fe, Al usw. sein. Die reine Ca-Verbindung (A=B=Ca)
ist als Pyroxen unbekannt, die reine Mg-Verbindung (A=B=Mg) ist nur unter Druck
als eigenständiges Mineral (Klinoenstatit) beständig.
Pyroxene enthalten i.A. zwei Kationen mit Radiensummen zwischen 148 und 179 pm. Sie sind Hydroxid-frei.
Daneben gibt es einige Minerale mit abweichenden Zusammensetzungen, die ebenfalls
Zweiereinfachketten enthalten, sowie synthetische Verbindungen mit in der Natur
weniger häufigen Gegenionen (Ba, Li) und dementsprechend anderer Struktur.
Nichtsilicatische Verbindungen mit Zweiereinfachketten sind z.B. MgGeO3,
RbPO3, LiAsO3, NH4VO3 und
LiNa(BF3)2.
Die Pyroxene sind sehr wichtige gesteinsbildenden Silicate. Augite (s.u.)
machen beispielsweise 50% von Basalt (45% Feldspäte, 5% Olivin) aus, im Felsen wie z.B.
Eklogit sind (neben Granat)
ebenfalls 50% Augit enthalten.
Die Pyroxene können nach der Kristallographie in zwei Gruppen unterteilt werden:
- Die Ortho-Pyroxene sind orthorhombisch, Hauptvertreter sind die Minerale
der Enstatit (A=B=Mg)--Hypersthen(Mg,Fe)-Reihe.
- Klino-Pyroxene sind monoklin. Hauptvertreter sind Mineralien der
Diopsid (Ca/Mg)--Augit--Hedenbergit(Ca/Fe2+)-Reihe.
Tab. 6.1.1. Enstatit (Struktur)
-
Ortho-Pyroxene (z.B. Enstatit-Hypersthen-Reihe) sind, wie der Name sagt, orthorhombisch.
In der Kristallstruktur (s. Tab. 6.1.1) sind die A- und B-Ionen oktaedrisch koordiniert (grüne Polyeder).
Diese Oktaeder bilden, über Kanten verknüpft, Bänder. Diese sind mit den Silicat-Tetraederketten
(rot) so verknüpft, daß die Silicatkette mit den Spitzen in eine Richtung weist und zentral über
dem Oktaederband zu liegen kommt (s. Teilansichten in Abb. 6.1.1.). Die Basis-Sauerstoffatome der Silicatkette
verknüpfen über Ecken zwei weitere Oktaederbänder.
Abhängig vom Mg/Fe-Verhältnis haben die Minerale der Orthopyroxen-Reihe Enstatit-Hypersthen eigene Namen:
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Klino-Pyroxene (z.B. Diopsid(Ca/Mg) -- Augit -- Hedenbergit(Ca/Fe2+) Reihe) sind monoklin.
Die Struktur z.B. von Klinoenstatit
(zur Mineralogie) ist der der Orthopyroxene sehr nahe verwandt
(VRMLs: Silicatteilverband,
mit Anordnung der Oktaeder-Stränge
und ganze Elementarzelle).
Im Diopsid CaMg[SiO3]2 liegen die Gegenionen
in der Struktur mit Koordinationszahl 6 (Mg, grüne Polyeder)
bzw. 8 (Ca, graue Kugeln) vor.
Die Abbildung 6.1.1. zeigt die Stabilität (blaue Bereiche) und die Benennung der verschiedenen Klinopyroxen-Minerale.
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Abb. 6.1.1. Benennung der Klinopyroxen-Minerale
‣SVG |
Links zur Mineralogie mit Kristallfotos von Klinopyroxenen der Reihe Diopsid -- Augit -- Hedenbergit, bei der
der Ca-Gehalt ca. 50% beträgt, und Mg (Diposid) in steigenden Anteilen durch Fe2+ ersetzt wird (Hedenbergit):
- Diopsid (Mg/Ca ca. 1:1):
Mineralogie,
Wikipedia,
Foto 1,
Foto 2,
Foto 3,
mehrere Fotos
sowie Abb. 6.1.2.
- Augit (Fe-reicher; ca. Ca:Mg:Fe wie 5:3:2):
Mineralogie,
Wikipedia,
Verschiedenes zu Augiten,
viele Fotos.
- Hedenbergit (sehr Mg-arm, Ca:Fe ca. 1:1)
Mineralogie,
Foto,
kleines Foto
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Abb. 6.1.2. Diopsid |
Abb. 6.1.3. Johannsenit |
Eine ähnliche Reihe geht von Hedenbergit (CaFe[SiO3]2)
bis Johannsenit (CaMn[SiO3]2) (s. Abb. 6.1.3.).
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Neben den genannten sehr wichtigen und häufigen Reihen gibt es als weitere Pyroxen-Minerale:
- Der Jadeit NaAl[Si2O6]
(zur Mineralogie)
ist ein monoklines Alkalipyroxen mit apfelgrüner bis blaugrünlicher Farbe, das
in der kunstgewerblichen Steinschnitzerei eingesetzt wird.
(Wikipedia,
Foto Schmuck,
Foto
Fläschchen).
- Spodumen LiAl[Si2O6]
(zur Mineralogie)
gehört ebenfalls zu den Klino-Pyroxenen mit Zweiereinfachkettenstruktur. Es ist ein wichtiges
Li-Mineral, das auch als Schmuckstein (rosaroter Kunzit oder grüner Heddenit
Verwendung findet.
(Foto 1,
Foto Schmuck,
Wikipedia).
- Aegirin (Na,Ca)(Fe2+/3+[Si2O6]
ist ein Mischkristall der Endglieder Akmit NaFe3+[Si2O6]
und Hedenbergit CaFe2+[Si2O6].
(Wikipedia,
Foto 1,
Foto 2).
Bei allen Pyroxenen resultiert aus der Kettenanordnung ein charakteristischer Spaltwinkel von 87 bzw.
93 o, anhand dessen die Pyroxene z.B. einfach von den Amphibolen unterschieden
werden können:
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Abb. 6.1.4. Spaltwinkel bei Pyroxenen und Amphibolen
‣SVG |
Weitere seltenere Minerale, die nicht zu den Pyroxenen gehören:
- Lorenzenit: Na2Ti2[Si2O6]O3
- Schattukit: Cu5[SiO3]4(OH)2
( Mineralogie,
Foto 1,
Foto 2)
- Carpholit: MnAl2[Si2O6](OH)4
Daneben sind eine Reihe synthetischer Silicate mit Zweiereinfachketten bekannt.
Diese Phasen enthalten in der Natur weniger häufige Kationen, deren Koordinationszahl
jeweils die Strukturen (s. Tab. 6.1.2.) bestimmt:
- In BaSiO3 liegen die Ba-Kationen von sieben Oxid-Ionen
koordiniert vor.
- Li2SiO3 enth�lt Li mit der Koordinationszahl 4.
Entsprechend der Formulierung (LiO4/4)2SiO4/4,
d.h. Li2SiO3 haben die Tetraeder jeweils drei gemeinsame Ecken.
Verbindung |
BaSiO3 |
Li2SiO3 |
Struktur |
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VRML |
VRML |
VRML |
Tab. 6.1.2. Strukturen synthetischer Kettensilicate
Dreiereinfachketten (P=3)
Dreiereinfachketten kommen in den verschiedenen Polymorphen
von Wollastonit (Ca[SiO3]) vor. Auch Mineralien wie
Pectolit und Bustamit (s.u.) gehören in diese Gruppe. Die
Identität ist in der Kette nach ca. 730 pm erreicht
In der Struktur von Wollastonit zeigt die
Silicatteilstruktur die Periodizität von 3.
Die Ca-Ionen sind wie die Mg-Ionen in den Pyroxenen oktaedrisch koordiniert.
Die Oktaeder sind über Kanten zu Doppelsträngen verknüpft, die ebenfalls
denen in den Pyroxenen entsprechen. Da die Oktaeder jedoch deutlich größer
sind als bei den Pyroxenen, ist die Silicatkette in einer
anderen
Anordnung
mit dem Oktaederstrang verknüpft. Insgesamt verknüpfen
die Si-Tetraederketten drei
Doppelstränge, so daß diese
Gesamtstruktur
resultiert.
Tab. 6.1.3. Struktur und Mineralogie von Wollastonit
Verwandte Minerale sind:
Nicht-Silicatische Vertreter mit diesen Bauverbänden sind
NaPO3 (Madrellsches Salz), NaAsO3, CaGeO3 und NaBeF3.
Vierereinfachketten (P=4)
Vierereinfachketten gibt es nur im synthetischen Na2Cu3[Si4O12]
und bei Phosphaten wie dem Kurrolschen Silbersalz AgPO3.
Fünfereinfachketten (P=5)
Ein Beispiel für Fünfereinfachketten
(Identität nach 5 Tetraedern, ca. 1220 pm; P=5)
ist Rhodonit CaMn4[SiO3]5
(Tab. 6.1.4.). In der Darstellung des Silicat-Teilverbands
ist eine Translationseinheit farblich hervorgehoben.
Die Mn-Atome sind oktaedrisch von Sauerstoff umgeben, so daß
diese
Gesamtstruktur resultiert.
Tab. 6.1.4. Rhodonit (5-er-Einfachketten)
und Pyroxmagnit (7-er-Einfachketten)
Siebenereinfachketten (P=7)
In der Struktur von Pyroxmangit
bzw. Pyroxferroit (Mn,Fe,Ca,Mg)[SiO3] (Tab. 6.1.4. rechts) ist die Identität in der Kette erst nach
sieben Tetraedern (ca. 1740 pm) erreicht (P=7).
Einfachketten mit P > 7
Ketten mit noch größerer Periodizität P treten auf in:
- P=9 Fe9[Si9O27] (synthetischer Ferrosilit III)
- P=12 Pb12[Si12O36] (Alamosit, sehr selten)
- P=24 Na24Y8[Si24O72] (synthetisch).